Frage:    Verstand und Gefühle

Ich habe gelesen, dass wir uns von unserem Verstand lösen sollen.
Aber von den meisten bekomme ich gesagt, ich soll nicht nur nach meinem Gefühl handeln,
ich bin nämlich sehr emotional. Mein Freund sagt, man soll eher nach seinem Verstand handeln,
in der Bibel würde sogar stehen, dass Frauen nicht predigen dürfen,
weil sie von ihren Gefühlen zu sehr beeinflusst werden.
Er sagt auch, wenn man verheiratet ist, soll der Mann Entscheidungen treffen,
da er nach dem Verstand handelt und die Frau soll sich danach richten,
weil sie eher auf ihre Gefühle hört.
Habe ich da was falsch verstanden, denn ich hab ja jetzt gelesen,
dass unsere Gefühle von G-tt gelenkt werden?


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Antwort: 

Der Disput zwischen Ihnen und Ihrem Freund entspringt einem angelernten Erziehungs -und Verhaltensmuster, die bei jedem Menschen einen großen Teil unserer Handlungen in unserer Welt ausmachen, jedoch hat das alles nichts mit der Spiritualität gemeinsam, die durch das Studium der Kabbala erreicht werden soll. Es ist nicht richtig die Heilige Schrift auf solche Weise auszulegen, so wie es ihr Freund sagt. Es ist auch nicht richtig in spirituellen Fragen auf die Empfehlungen anderer Menschen zu achten oder sich sogar danach zu richten, wenn diese Menschen ein egoistisches Ziel mit ihren Ratschlägen verbinden.

Die Seele hat kein Geschlecht. Jedes menschliche Wesen, ob Mann oder Frau, besitzt eine solche androgyne Seele.

Sie haben richtig verstanden, dass der Schöpfer unsere Gefühle lenkt, ebenso unsere Gedanken und alles was uns umgibt, das heißt jedoch nicht, dass Sie sich nun zurücklehnen sollen und den lieben G-tt einen lieben Mann sein lassen sollen, oder einfach loslassen um Ihren persönlichen Gefühlen einen zügellosen Lauf zu lassen. Sie sollten vielmehr jeden Tag damit beginnen zu versuchen ihre Gefühle nicht über ihr gesamtes Wesen herrschen zu lassen, um ein höheres Ziel anzustreben. Das heißt ja nicht dass die Gefühle keine Form bekommen sollen. Wut, Angst, Trauer, Liebe, Freude etc.sollen und werden auch immer eine Gestalt annehmen, nur sollten Sie die Zügel nicht völlig aus den Händen gleiten lassen, sondern versuchen wie ein Kutscher der 10 energiegeladene Hengste zur Entfaltung bringen lassen möchte, sie zu lenken und richtig zur Blüte zu bringen, -jedoch niemals die Zügel so weit aus der Hand geben, damit eines der Pferde nicht den ganzen Wagen in den Abgrund reißen kann. Am Ende dieser täglichen Fahrt (Bemühungen und Arbeit) können Sie dann beruhigt feststellen, dass alles was an diesem Tag geschah vollkommen vom Schöpfer vorbestimmt war, jedoch nicht vorher, denn zu beginn müssen Sie so tun als ob Sie ganz alleine für Ihre Handlungen verantwortlich wären. So muss jede Tat selbst überdacht und reflektiert werden, jedoch sollte der Glaube immer über den Verstand gestellt werden.
Sie haben auch richtig verstanden, dass Sie sich von dem Verstand lösen sollen, jedoch nicht um den nach außen gerichteten Gefühlen die Zügel in die Hand zu geben, sondern um den Glauben über den Verstand zu stellen.
Wir sind als Menschen in dieser Welt vollkommen egoistisch orientiert. Unser Körper und der Verstand bestimmen in absoluter Weise alle Wünsche und Handlungen. Deshalb soll der Verstand mehr zurückgedrängt werden, um eine höhere Instanz zur Geltung kommen zu lassen, in der alle untergeordneten Wünsche schon vorbestimmt sind, welche nur Abzweigungen der Wurzel aller Wünsche und Verlangen sind.
Es gibt viele unterschiedlich grobe und feine Möglichkeiten seinen Gefühlen eine Form zu geben. Z.B.: Schreien im Fußballstadion, Streiten mit dem Freund, Singen in einem Chor, künstlerische Betätigung, das Studieren der Kabbala. Je nach dem Willen des Schöpfers findet Ihre Seele die entsprechende Form. Der Verstand oder die Intelligenz sollte nicht völlig annulliert werden, (das geht sowieso nicht) sondern er sollte in angemessener Harmonie mit der inneren Weisheit stehen.
Wenn wir also sagen, dass es wichtig ist den Verstand zurückzudrängen, dann ist damit gemeint, anstatt dessen, das Höhere uns umgebende Licht auf uns einwirken zu lassen, jedoch sollte die Menge dieses Lichtes selbstständig abgewogen werden, damit ein bewusstes Empfangen dieses Lichtes mit dem Ziel es dem Schöpfer zurückzugeben bestehen kann. Dies ist der Aufbau des öfter erwähnten Schirmes, der uns vor dem Überfluss an Licht schützt und gerade die Menge an Licht zulässt, die wir bewusst ertragen können. Empfangen wir ungefiltert dieses Licht, lassen wir unseren Gefühlen unbewusst den Lauf, dann leben wir in Sünde. Mehr oder weniger tut das jeder von uns.
Ich hoffe Ihre Fragen ein wenig erhellt zu haben, jedoch bedenken Sie immer dass man eventuell viel Zeit benötigt um einen bewussten Umgang mit allen Aspekten unseres Wesens zu erlangen.

Je nach dem spirituellen Gepäck welches Sie in sich tragen, müssen die verschiedensten Aspekt ihrer Seele korrigiert werden.
Der Schöpfer stellt Sie deshalb in perfekter Weise vor immer schwierigere Aufgaben (die normalen Probleme des Lebens z.B. der Disput mit Ihrem Freund), um ihren Glauben über den Verstand zu stellen, bis sich Ihnen das
gesamte Schöpfungsszenario von Innen heraus enthüllt. Dies geschieht stufenweise und auf den einzelnen Niveaus erhellt sich Ihre Sicht jedesmal gegenüber der vorangegangen Stufe. Dann ganz am Ende der
Leiter wird Ihnen von selbst klar:  a)dass Sie selbst  b)Ihr Lebensweg  und   c)der Schöpfer  =  Eins sind.
Doch bis dahin nehmen Sie diese 3 Komponenten als etwas Unterschiedliches wahr.
Ein guter Weg sich über die komplexen Zusammenhänge Ihres Wesens und des Universums bewusst zu werden ist die Kabbala. Wenn Sie die Texte weiter aufmerksam studieren wollen, können Sie nach und nach verstehen wie alles zusammenhängt.

 

Peter Staaden