Frage:    Schlechtes Gefühl wegen Opfergeschichten in der Heiligen Schrift

Jedesmal wenn ich Ihre Homepage anklicke, erfasst mich ein erregendes Glücksgefühl.
Ich kann es nicht anders erklären und weiss auch nicht warum das so ist.
Aber zur Zeit habe ich mit einer ganz anderen Gefühlsseite zu kämpfen.
Ich habe nach vielen Jahren mein Leben so eingerichtet,
dass ich auf mein inneres Gefühl reagiere, ob etwas gut oder schlecht ist.
Genau dieses ungute Gefühl, habe ich jetzt immer wenn ich mich mit dem alten Testament befasse
und über Blutopfer lese, die G-tt von den Menschen früher erwartet hat.
Ich kann es einfach nicht verstehen.
Denn das Gebot "Du sollst nicht töten", zudem ja wohl alle Lebewesen gehören, verbietet es uns Menschen.
Aber warum befiehlt G-tt dann diese Opfer.
Ich hoffe, dass Ihnen diese Frage nicht sehr dumm vorkommt.


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Antwort: 

Das ist ja schön, dass Sie so eine Freude empfinden, wenn Sie die Homepage besuchen.

Ihre Frage kommt mir überhaupt nicht dumm vor.
Im Gegenteil spüre ich, dass es eine Frage ist, die Sie wirklich bewegt und ich werde versuchen sie nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten. Es freut mich und berührt mich, wie Sie sich an mich wenden und ich hoffe Ihnen weiterhelfen zu können.

Wenn Sie sich mit dem alten Testament befassen, sollten Sie das Gelesene nicht im linearen gewohnten äußeren Sinn interpretieren. Das ungute Gefühl welches Sie beim Lesen empfinden ist ganz natürlich und rührt vom normalen Menschenverstand der Vergleiche anstellt und das gelesene als etwas "Übles" einordnet. Dementsprechend fühlt man dann auch negative Gefühle.
Die Heiligen Schriften sind ähnlich zu betrachten wie es in dem Kapitel: Die Sprache der Kabbalisten: 'Zweige' geschrieben steht. Die verwendeten Wörter sind universelle spirituelle Konzepte und nicht wörtlich im äußeren Sinne zu nehmen, und sie sind auch nicht in eine frühere Zeit einzusortieren. Besser ist es die Heiligen Schriften wie einen Traum zu deuten, und das ist ja bekanntlich sehr schwierig, fast unmöglich. Es sollte in der Betrachtungsweise dieser Schriften kein Entweder-Oder unseres zeiträumlichen dualistischen Empfindens geben sondern ein Entweder und Oder der gleichzeitigen Betrachtungsweise des Urgrundes, der Wurzel und Quelle allen Daseins.
Im Hebräischen lautet der Ausdruck für Opfer "korban", was mit "näherkommen", "näherbringen", "sich nähern" übersetzt werden kann. Gemeint ist, dass man seinem Ursprung, dem Schöpfer und Vater aller Dinge näherkommt.
An der Geschichte von Abraham kann man das gut sehen. In der Heiligen Schrift gibt es viele solche scheinbar "paradoxen" Stellen, so auch der Weg Abrahams, der genau wie unser eigener Lebensweg oft paradox erscheint. Es kommt sogar der Punkt in Abrahams Leben, an dem er auf Geheiß des Schöpfers seinen Sohn "schlachten" soll. Hier ist jedoch nicht ein Töten gemeint, so wie wir dieses Wort in unserer Welt definieren, sondernn es bedeutet ein Unterbrechen des Kreislaufes durch das Trennen des Kopfes vom Rumpf, damit ein Verschwinden aus dem Erscheinenden eintritt.  Doch in der Geschichte von Abraham kommt es ja nicht soweit, denn plötzlich ist ein Widder (männliches Lamm) da, und tritt anstelle des Sohnes. An dieser Stelle offenbart sich über diese Opfergeschichte eine Weisheit, eine Wahrheit, ein Wunder: Wenn Du glaubst, dass Du stirbst, zeigt sich ein Lamm. Eine Wandlung ist eingetreten, völlig unerwartet, durch dieses Zeichen des Lammes erscheint etwas auf eine neue Art. Der Tod ist kein Ender sondern ein Wender.
Der Opfergedanke in der Torah muss  also immer auch von der anderen Seite, dem Jenseitigen aus betrachtet werden, und dort ist ja alles gleichzeitig vorhanden, das Gesetz der Kausalität gilt dort nicht.
Bedenken Sie, dass Sie selbst, jedes Wesen auch jetzt schon hier und dort sind, in vielen Welten gleichzeitig existieren. Das Diesseits ist nur die unterste Ebene der Erscheinungen, und wer die Torah nur kausal-geschichtlich interpretiert, verkennt die uns vom Schöpfer gegebene Heilige Schrift, die aus einer anderen Ebene schöpft.

Nochmals in anderen Worten: Ihr ungutes Gefühl gegenüber den Opferbeschreibungen in der Bibel rührt also von Ihrem inneren Konflikt her, den Ihr irdischer Verstand verursacht. Die Aussagen der Heiligen Schrift erscheinen Ihrer logisch denkenden Vernunft als nicht positiv nachvollziehbar und gegen den positiven Schöpfer gerichtet, denn Ihr Verstand ordnet die Beschreibungen so ein, wie Sie es Ihr Leben lang für das diesseitige Wertesystem erlernt haben, und so werden diese Textstellen dann als negativ bewertet und dementsprechend mit negativen Gefühlen belegt. Die Heiligen Schriften können jedoch nicht nur von dieser menschlichen Vernunft her betrachtet werden. Jedes Wort in den Heiligen Schriften hat einen tieferen Gehalt, selbst die scheinbar unwichtigste Nebensache hat eine ungeheure Bedeutung und einen unverrückbaren Sinn. Jeder Buchstabe, jedes Wort, jeder Zusammenhang weist auf eine höhere Wurzel, auf ein Licht und eine Weisheit, die sich völlig unserem greifenden Verstand entzieht, jedoch der Urgrund aller hiesigen Gedanken und Handlungen ist. Das scheinbare Paradox, was sich beim Lesen der Torah unserem Verstand zeigt, ähnelt den Rätseln, die sich uns im täglichen Leben stellen. Wie sollen wir das ganze menschliche Leid und Fehlverhalten einordnen? Selbst in unserer nächsten Umgebung, in der jüngsten Vergangenheit, ja täglich fehlt es nicht an Begebenheiten, die uns zur Verzweiflung bringen können, weil wir nicht verstehen, wieso diese schlimmen Dinge passieren. Wie sollen wir zu alle dem Stellung beziehen?
Das Studium der Weisheit der Kabbala ist eine sehr gute Möglichkeit, Antworten auf diese Fragen zu erhalten.

 

Peter Staaden