Spiritualität und Kabbala


 

Der Mensch ist nicht in der Lage, etwas zu tun, ohne damit einen Vorteil für sich zu verbinden. Bevor er zu agieren anfängt, muss er zuerst überdenken, welchen Gewinn er davon haben könnte. Dieser Gewinn dient ihm als Treibstoff und Motivation für seine Handlungen. Der Antrieb besteht entweder aus dem sofortigen oder dem zukünftigen Gewinn, den er mit seinem Tun beabsichtigt. Glaubt ein Mensch an keinen sofort möglichen Profit und auch nicht an irgendeinen zukünftigen, beendet er sofort sein Tun. Dies geschieht, weil der Mensch nicht ohne das Gefühl existieren kann, etwas zu gewinnen.

Die Kabbala lehrt, wie ein Geschöpf den Schöpfer empfangen kann. Um eine höhere Spiritualität zu erreichen, soll der Mensch seinen Wunsch, das ihn umgebende Licht empfangen zu wollen, erweitern. Er kann sein Verlangen danach so weit ausdehnen, bis er alle Welten, einschließlich unserer Welt, aufnehmen und fühlen kann. Dieses ist der Zweck, zu dem er geschaffen wurde.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist es nicht notwendig, ein Mönch oder ein Asket zu werden, oder sich auf irgend eine Art dem Leben abzuwenden. Im Gegenteil, die Kabbala legt dem Menschen nahe, zu heiraten, Kinder zu bekommen und ganz normal zu arbeiten und zu leben, eine volle Lebensspanne lang. Nichts muss aufgegeben oder verlassen werden. Denn alles wurde aus einem bestimmten Grunde geschaffen und hat einen Sinn. Deshalb soll sich der Mensch nicht einfach aus dem Leben zurückziehen und sich ein selbstausgedachtes Leben schaffen.

Wenn ein Mensch damit beginnt, die Kabbala zu studieren, kann es sein, dass er keine spirituellen Gefühle entdeckt, und dass sich sein Verstand folglich während des Lernprozesses als Hilfsmittel einschleicht. Wir sind jedoch dazu angehalten, unser Innerstes, unser Herz, durch unseren Verstand zu öffnen. Erst wenn unser Herz sich entwickelt, fühlen wir, was Richtig und was Falsch ist. Wir werden ganz natürlich zu den richtigen Entscheidungen und Taten geführt.

Die Kabbalisten lehren die Spiritualität, indem sie langsam damit beginnen, den Lernenden schrittweise beizubringen, ihren Willen so zu erweitern, dass sie mehr Licht, mehr Bewusstsein, mehr spirituelles Gefühl empfangen können. Mit einem erhöhten Verlangen geht eine größere spirituelle Tiefe, ein größeres Verständnis und das Erreichen des Ziels einher. So kann ein Mensch die höchste spirituelle Stufe ersteigen, die es zu erklimmen gibt. Er kann somit die Wurzeln seiner Seele erreichen.

Überdenken Sie folgende zehn Fragen und Antworten zu diesem Themenbereich:

Frage-1: Wie und in welcher Weise müssen wir unsere Natur ändern, um die gegensätzliche Natur des Spirituellen zu erfassen?
Antwort-1: Es gibt keine Wand, die unsere Welt von der übersinnlichen, spirituellen Welt trennt. Jedoch verursacht die Tatsache, dass die spirituelle Welt, entsprechend seinen Eigenschaften, eine Anti-Welt ist, dass sie sich so weit jenseits unserer Vorstellung befindet. Nachdem wir in unserer Welt geboren sind, und die Natur und Begebenheiten dieser Welt erworben haben, vergessen wir vollständig alles über unseren vergangenen letzten Anti-Zustand. Folglich gibt es für den Menschen nur eine einzige Weise, damit er diese Anti-Welt wahrnehmen kann: Er muss die Natur und die Beschaffenheit dieser Anti-Welt annehmen, sowie deren Ursachen und Qualitäten erforschen.

F-2: Das grundsätzliche Prinzip der spirituellen Welten ist der absolute Altruismus. Wie kann man diese Fähigkeit erwerben?
A-2: Die Kabbalisten schlagen vor, eine innere Umwandlung durchzuführen. Nur diese innere Arbeit an sich selbst erlaubt es dem Menschen, die spirituellen Welten wahrzunehmen und damit zu beginnen, gleichzeitig in der weltlichen und in der spirituellen Welt zu leben. Diese Arbeit wird durch den Begriff: "seinen Glauben über den Verstand stellen" bezeichnet.

F-3: Was bedeutet "ein Glaube in den Grenzen des Verstandes"?
A-3: In dieser Welt ist es unser Verstand, der alles bestimmt, was wir machen. Einzig und allein dieser Verstand, mit anderen Worten, der Egoismus oder die berechnende "Vernunft" ist der Motor all unserer Wünsche und unserer Handlungen. Unser Verstand berechnet ständig die Menge des möglichen Vergnügens, und er prüft und wägt ab, hinsichtlich der Menge des Leidens, welches die Anstrengung verursacht, dieses Vergnügen zu erreichen. Die Subtraktion dieser beiden Mengen liefert ihm das gesuchte Ergebnis: Entweder die Arbeit und das Leiden für das Vergnügen, oder den Verzicht für Ruhe und Frieden. Das Grundprinzip dieses "vernünftigen" Konzeptes in bezug zu unserer Umwelt, wird durch den Begriff: "Ein Glaube in den Grenzen des Verstandes" bezeichnet, - der Verstand bestimmt den Glauben.

F-4: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit der Mensch altruistisch werden kann?
A-4: Es erfordert gewisse Vorbedingungen, um sich von einem Wesen, welches durch die weltlichen Gesetze bestimmt war, zu einem Wesen, welches durch die Gesetze der spirituellen Welten geleitet wird, zu entwickeln. Wenn der Mensch die Gedanken seines Verstandes zurückgedrängt, und somit ohne ihre Unterstützung ist, hängt er bildlich ausgedrückt mit seinen beiden Beinen in der leeren Luft. Er heftet sich jedoch gleichzeitig mit beiden Händen fest an den Schöpfer, der so seine Handlungen durch seinen alleinigen Willen leitet und bestimmt. Gewissermaßen ersetzt der Mensch seine eigenen Überlegungen und Gedanken durch jene des Schöpfers, er handelt folglich entgegen seinem Verstand, und setzt den Willen des Schöpfers über seinen eigenen. Deshalb wird das Prinzip dieses Verhaltens durch den Ausdruck: "Der Glaube, der dem Verstand übergeordnet ist" bezeichnet. Wenn der Mensch auch nur einmal mit diesem Prinzip erfolgreich war, beginnt er diese Welt und gleichzeitig die spirituellen Welten neu wahrzunehmen. Er entdeckt, dass beide Welten gleichzeitig, gemäß den selben spirituellen Grundregeln funktionieren: "Der Glaube, der dem Verstand übergeordnet ist".

F-5: Was ist ein spirituelles Gefäß?
A-5: Der Wunsch des Menschen, seinen Verstand zurückzudrängen, und nur von seinem Verlangen, "dem Schöpfer ein Vergnügen zu bereiten", geleitet zu werden, ist das spirituelle Gefäß, welches ihm erlaubt, spirituelle Gefühle wahrzunehmen. Die "Kapazität" dieses Gefäßes ist in anderen Worten die Größe des spirituellen Vermögens des Menschen, seinen egozentrischen erdgebundenen Willen zurückzudrängen.

F-6: Wie kann man ein spirituelles Gefäß wachsen lassen?
A-6: Um die Kapazität eines spirituellen Gefäßes zu erhöhen, stellt der Schöpfer immer größere und wichtigere Hindernisse auf den Weg "des Glaubens, der dem Verstand übergeordnet ist". Ganz allmählich steigert er die egoistischen Wünsche, das Verlangen und die Zweifel, was die göttliche Allmacht betrifft. Die Tat, diese Hindernisse progressiv zu überwinden, erlaubt es dem Menschen, den Beweis eines immer stärkeren altruistischen Verlangens zu erbringen, die Kapazität seines spirituellen Gefäßes zu steigern, und mit mehr Klarheit und Schärfe den Schöpfer in seinem Universum der Ähnlichkeiten wahrzunehmen.

F-7: Vereinfachen das Wissen und die Intelligenz den Erwerb eines "Glaubens, der dem Verstand übergeordnet ist"?
A-7: Alles, was dem Menschen widerfährt und ihm von Oben aufgebürdet wird, dient dem Zweck, ihn daran zu erinnern, dass es nötig ist, seinen guten Menschenverstand zurückzudrängen, und damit fortzuschreiten, seinen Glauben über den Verstand zu stellen. Je stärker sein Verstand und der Umfang seiner Kenntnisse, und je größer und glänzender seine Intelligenz, desto schwieriger ist es für ihn, sich auf dem Weg des Glaubens vorwärts zu bewegen. Denn solch einer leidet folglich mehr darunter, seinen guten Menschenverstand ablegen zu müssen.

F-8: Akzeptiert der Mensch, nachdem er den Weg des spirituellen Wachstums gewählt hat, was ihm widerfährt?
A-8: Der Mensch, der entschieden hat, sich gemäß der Kabbala spirituell zu entwickeln, kann in gar keinem Fall mit dem Schöpfer zufrieden sein. In seinem Herzen verflucht er, sich auf diesem Weg vorwärts bewegen zu müssen, denn durch keine Selbsttäuschung lässt sich eine Entschuldigung vor dem Schöpfer finden. Solch ein Mensch kann es nicht ertragen, ohne Unterstützung zu sein, bis ihm der Schöpfer hilft, indem Er ihm den gesamten Plan der Schöpfung enthüllt.

F-9: Was kann man tun, damit ein Gebet vom Schöpfer erhört wird?
A-9: Damit der Schöpfer das Gebet erhört, soll es vom tiefsten Punkt des Herzens ausgedrückt werden. Anders gesagt: Das ganze Verlangen und alle Wünsche des Menschen müssen zu diesem Zeitpunkt voll und ganz auf sein Gebet konzentriert werden. Um dies tun zu können, sollte er sich immer wieder und unaufhörlich in die Schriften vertiefen, selbst wenn er nichts begreift, denn um erfolgreich zu sein, sollte er ein authentisches Verlangen verwirklichen, damit der Schöpfer ihn erhören kann.

F-10: Was ist ein authentisches Verlangen?
A-10: Ein authentisches Verlangen ist jenes, dass einem anderen Verlangen keinen Platz mehr lässt.

 

 

 

Übersetzung von Peter Staaden

 

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