Ein wenig Kabbala über den (un)freien Willen

von Peter Staaden

 

 

 

Der folgende Text sollte wie alle kabbalistischen Texte (Sprache der Zweige) nicht einseitig kausal verstanden werden. Die hier beschriebenen Seelenweisheiten sollten nicht dazu führen, einen groben Sucher zum Einstellen seiner Guten Taten zu führen. Im Gegenteil, jede Tat sollte eine Mitzvah sein (gute Tat) und jede Willensäußerung dem Gebot: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst untergeordnet werden. Nur innerhalb des Rahmens „Liebe deinen Bruder wie deine Seele; hüte ihn wie die Pupille deines Auges!“(0) sind folgende Zeilen für bestimmte Seelen von Wert.

 

***

 

Eine "normale" Person "glaubt" selbstverständlich einen freien Willen zu besitzen.Sie glaubt, ja weiß dies unumstößlich, und nimmt ihr eigenes Leben auch tatsächlich so wahr. Entscheidungsfreiheit über ihre Handlungen zu haben, ist sozusagen die natürlichste Sache der Welt. 

Doch nicht nur das, solch eine normale Person "glaubt" ebenso selbstverständlich, selbstständig und frei bestimmen zu können, was sie denkt. „Zweifelsohne, sicherlich“, würde jedes dieser Wesen sagen, „ich kann doch mit meinem Verstand entscheiden, was ich tue oder nicht. Das tue ich doch unentwegt.“ 

Fast alle Personen, die sich der oben geschilderten Haltung angeschlossen haben, "glauben todsicher“, auf diese Art und Weise zu funktionieren. Nur sehr wenige unter ihnen sind sich bewusst, dass hinter diese Ansicht, ein großes Fragezeichen zu stellen ist. 

Unter den Wenigen, die eine Mangelhaftigkeit bezüglich eines Freien Willens leise erahnen, haben sich eine noch kleinere Anzahl von Personen auf den Weg gemacht, ein „wahrhaftiger Mensch“ im höheren Sinne werden zu wollen. So selbstverständlich, wie alle anderen es übernommen haben, sie seien schon „ein Mensch“, und zweifelsohne im "Besitz" von Verstand und einem freien Willen, ist für sie die Angelegenheit nicht. 

Viele glauben, sie seien nur normal, wenn sie wach sind und aus wachem Bewusstsein denken, sprechen und handeln. Die Überlieferung aber sieht gerade darin das Nichtnormale. Wer so denkt, von dem heißt es, dass er als Mensch nicht funktionieren kann, denn er hat die andere Wirklichkeit bei sich getötet, erstickt, still gemacht. Er ist dann nurein halber Mensch. (1)

Um dieses Thema ein wenig zu erhellen, möchte  ich die Wahrheit, verehrter Leser, aus der Sicht der Kabbala darlegen. 

Wenn in der Kabbala von einem Freien Willen gesprochen wird, bezieht sich dies nur auf den Freien Willen eines Menschen. Denn nur der Mensch im Ebenbilde des Adam Kadmon (Niveau 7000) hat einen Freien Willen geschenkt bekommen. 

Doch wer und wie ist solch ein Mensch, der Adam, aus der erhabenen Sicht der Kabbala?

Die Antwort lautet: Ein Mensch ist ein Wesen, welches ein Niveau erreicht hat, auf dem es sich G-ttes Gegenwart permanent bewusst ist. Dieses Wesen steht bei allen Begebenheiten auf zwei Beinen, und es trägt nur einen Wunsch in seinem Herzen, die Spirituelle Leiter weiter emporzusteigen, sich IHM immer mehr anzunähern. 

Und was den Freien Willen dieses richtigen Menschen betrifft, so sagt die Kabbala, wird dieser vom Schöpfer nur für einen schwierigen inneren Vorgang, ausschließlich für das Auf- und Absteigen der spirituellen Leiter verliehen. Er, der Freie Wille, dient nämlich dazu, sich weiter spirituell zu korrigieren (Tikkun), das zerbrochene spirituelle Gefäß (Kli) wieder instand zu setzen und die verstreuten spirituellen Funken (Ner Dakik) im Inneren des Herzens wieder einzusammeln. 

Nur wenige Wesen dieser Welt sind sich bewusst, dass sie momentan erst werdende Menschen sind, die diese innere Arbeit am innersten Punkt ihres Herzens erst noch erlernen dürfen. 

Rabbi Laitman schreibt zu diesem Thema:

Wenn wir die Handlungen des Menschen analysieren, entdecken wir, dass keine der Handlungen freier Natur ist, das heißt, sie erfolgen zwangsläufig. Denn die innere Natur des Menschen und die äußeren Umstände zwingen ihn dazu, nach angelegten Verhaltensmustern zu handeln.

Von Natur aus stehen wir zwischen Freuden und Leiden, und es steht uns weder frei, Leiden zu wählen, noch Freude abzulehnen. Der einzige Vorteil des Menschen dem Tier gegenüber besteht darin, dass er ein entferntes Ziel erkennen kann, und sich daher im Hinblick auf eine zukünftige Belohnung mit einem gewissen Grad an Leiden einverstanden erklären kann.

Tatsache ist, dass es sich dabei um nichts anderes als um rein berechnendes Tun handelt, wenn wir nach Abschätzung des Nutzens bereit sind, den Schmerz im Hinblick auf zukünftige Freuden zu ertragen. So unterziehen wir uns beispielsweise einem chirurgischen Eingriff und sind auch noch bereit, die hohen Kosten zu tragen. Auch sind wir bereit, uns viel Mühe zu geben und uns anzustrengen, um einen gutbezahlten Beruf zu erlernen. Es ist nur eine Berechnung, wie viel Leiden vom zu erwartenden Vergnügen abzuziehen ist, um ein gewisses positives „Überbleibsel“ zu gewinnen.

Auf diese Weise sind wir alle programmiert. (2)

Fast alle normale Personen müssen deshalb, bei der Ausführung der ihnen von Oben eingegebenen niederen Verlangen, automatisch Handeln und Leiden schaffen, ohne es zu merken. Sie sind im Zustand eines Enosch, einer Person die ständig mit der Schöpfung hadert, die eine große Empörung gegenüber G-tt in sich trägt und die Ungerechtigkeit der Welt anprangert. 

Diese Enosch-Menschen sind jedoch nicht wie der ursprüngliche Adam-Mensch, der Adam Kadmon, der im Bund mit G-tt steht, sondern genau umgekehrt. Denn sie sind mit der Illusion versiegelt, einen freien Willen zu besitzen und vernünftig zu agieren. In Wirklichkeit geben sie wie ein Tonband nur Wissen ihrer zeitgenössischen Lehrer wieder, das sie meist selbst nicht durchdacht haben. Automatisch handeln sie mit diesem spärlichen Bewusstsein aus Berechnung, um sich einen vorderen Platz in der Rangliste ihrer momentanen Weltanschauung zu verschaffen. 

Die Meisten von Ihnen glauben dabei Gutes zu tun, in dem sie das viele für sie Schlechte, was sie um sich herum wahrnehmen, verurteilen und verbessern wollen. In Wahrheit jedoch, damit sie auf diesem niedrigen Niveau wenigstens durch Leiden spirituell voranschreiten, werden sie unablässig von HaShem, gelobt sei Sein Name, zu dem Einen Höheren Ziel geführt. ER steuert jede Funktion des Körpers, den Herzschlag, die Atmung, einschließlich der Gedanken und Handlungen jedes Wesens auf Sein Ultimatives Ziel hin, bis auch ein völlig unwissender  Mensch das erste Mal, die unterste Sprosse der Heiligen Leiter vor sich erblickt. 

„Die Herrschaft gleicht einem Menschen, der auf seinem Acker einen vergrabenen Schatz hat, von dem er nichts weiß.“(3)

Bis dahin halten sich diese noch in der ersten Entwicklungsphase befindlichen Wesen fälschlicherweise selbst für frei denkende und agierende Menschen,  empfangen jedoch tatsächlich, ohne jegliche eigene Macht und Auswahlmöglichkeit, unentwegt eine Vielzahl an Wünschen aller Art, von denen sie "annehmen", sie hätten sie selbst erdacht und berechnet. Doch bei all ihren logischen Gedanken und Handlungen, ob sie in ihrer Wertigkeit positiv oder negativ erscheinen mögen, gibt es keine Spur eines Echten Freien Willens oder einer eigenen Urheberschaft. Ihr gesamtes Wissen ist bloß nachgeahmt und völlig unfrei, und es wurde auch meist niemals wirklich in Frage gestellt. 

Somit muss ALLES pausenlos von G-tt so gesteuert werden, um solchen Personen durch schwerste Leiden erst einmal die Kraft zu verleihen, umzudenken. Dieser Weg des Leidens und der Irrtümer kann für manche Seele sehr langwierig sein. Denn es ist durch keine Kraft anders zu verrichten, die vielen egoistischen Seelen, die zum Teil G-tt nicht einmal als existent angenommen haben, spirituell aufzurichten. Doch wenn solch eine Person erst einmal beginnt auf zwei Beinen zu stehen und die Himmelsleiter wahrzunehmen, wird sie nach OBEN gezogen und ohne Leid geführt. 

Der für die Anachim (man nennt in „modernem“ Hebräisch typischerweise die Menschen nicht mehr „Adamim“ wie in der Torah, was der Plural von Adam wäre, Adam heißt ja ebenfalls Mensch) sehr schwer zu verstehende Mechanismus der Schöpfung funktioniert, aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet, folgendermaßen:
Der Schöpfer hat es auf geniale Art und Weise so eingerichtet, dass die in der Traumwelt Versiegelten „glauben“, die sie umgebende Welt verbessern zu müssen. Denn die Personen mit dem Zeichen des Tiers auf der Stirn (unfertige Menschen, die vergessen haben, dass sie nackt vor dem Schöpfer sind, und sich selbst zum Richter über die Schöpfung aufspielen), nehmen ihre sie umgebende Welt als stark verbesserungswürdig und leidvoll war, getrennt von sich selbst. Sie blicken in eine äußere Welt, in der es an Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten nur so wimmelt. Der Bund mit IHM ist gebrochen, sie haben sich mit der Hülle, der Schlange identifiziert.

Dies hat der Unaussprechliche mit einem universellen Gesetz so arrangiert, indem die werdenden Menschen durch ihren unumstößlichen Glauben (dessen Macht die Unbewussten, noch dem Logos Verfallenen und der Materie Verhafteten, noch nicht erahnen, und den sie selbst als eine Reaktion auf die Grausame Umwelt wahrnehmen) die polare Welt zur eigenen Korrektur selbst erschaffen. 

Anders ausgedrückt, mit der todsicheren Annahme einer uns umgebenden fehlerhaften und verbesserungswürdigen Welt, völlig getrennt von uns selbst, wird durch unseren Glauben diese „schlechte Welt“ zur eigenen Wahrheit erhoben, bzw. zur Korrektur erschaffen. 

Auf diesen Vorgang der eigenen, inneren Erschaffung einer außen geglaubten Welt soll hier nicht näher eingegangen werden. Es sei nur gesagt, dass er bei fast allen Seelen durch noch unbewusst hervorgerufene Wörter (Buchstaben) aus dem Innersten Punkt des Herzens passiert. Es ist wie eine Haut die man sich anlegt, eine Maskierung die man sich überstreift, die jedoch nicht völlig überflüssig ist, im Gegenteil, sondern einen höchst wichtigen Inhalt birgt. 

So geistern in den scheinbaren Realitäten der noch unbewussten, normalen Seelen eine Unmenge von Ängsten, zu vermeidenden Gefahren, Krankheiten und Todesformen umher. Ich nenne sie „Schlangenhäute“. Sie treiben diese geplagten Seelen von einer Leidensvermeidungsstrategie zur nächsten, erzeugen eine gutgemeinte Meinung nach der anderen, um aus der Enge dieser schuppigen Haut herauszukommen. Sie selbst jedoch, die eigentlich Toten, die sich mit der Schlangenhaut selbst versehen haben, schaffen ohne es schon erfassen zu können, sozusagen auf Geheiß G-ttes, gepriesen sei Sein Name, eine vielfältige polare Welt (Schuppen), einschließlich der höchstmöglichen Grausamkeit einer abschließenden Apokalypse, um letztendlich doch die Schlangenhaut abzuwerfen. Dann wird der letzte Egoismus zum Altruismus verwandelt sein, und wir haben uns selbst zur Wahrheit (Emet) geführt, so wie viele Heilige Seelen zuvor, die im Geiste wiedergeboren wurden. 

Rabbi Laitman drückt diesen Sachverhalt folgendermaßen aus:

Es gibt zwei Wege der Steuerung, die dem Menschen die Erreichung des Schöpfungsziels garantieren: 1. der Weg der Leidens
2. der Weg der Kabbalah.

Der Weg der Kabbalah besteht darin, dass wir uns der Vernunft der Weisen anvertrauen, die das Ziel der Schöpfung schon erfasst und erreicht haben, und uns auf ihre Vernunft verlassen, als ob es unsere eigene Lebenserfahrung wäre. Wie können wir aber sicher sein, dass die Vernunft, der wir uns jetzt anzuvertrauen bereit sind, von wahrer Natur ist? Andererseits, wenn wir nicht der Vernunft der Weisen, wie dem Ratschlag eines Arztes Folge leisten, dann verurteilen wir uns zu einem langen Weg des Leidens, wie ein Kranker, der den Ratschlag des Arztes ablehnt und selbst mit dem Studium der Medizin beginnt, obwohl er krank ist und an seiner Krankheit sterben wird, noch bevor er es schafft, sich selbst die Weisheit anzueignen. 

So sieht der Weg des Leidens im Vergleich zum Weg der Kabbalah aus: Derjenige, der nicht an die Weisheit glaubt, die ihm die Kabbalah anzunehmen empfiehlt, kann versuchen, diese Weisheit eigenständig zu erlangen – durch Leiden; während es jedoch eine Erfahrung gibt, die diesen Prozess um ein Vielfaches beschleunigen kann. Sie erlaubt es, das Böse wahrzunehmen und sich von ihm zu einer guten Umgebung zu entfernen, die das Aufkommen richtiger Gedanken und Taten stimuliert. (4)

Wie ist der Teil des Prozesses zu verstehen, das Sich-Häuten, in dem G-tt einer Person, einem unfertigen Menschen, einem Enosch, der ein Ani-Ich, ein egoistisches Ich besitzt, durch sich selbst Leiden sendet, damit sich diese geplagte Seele dann erst einmal von dem spirituellen Zustand eines kriechenden Wesens, das nach Nahrung, Wohlbefinden, Vermehrung und Macht strebt, zu einem aufrechtstehenden Zweibeiner mit einem Anoki-Ich (einem g-ttähnlichen, altruistischen Ich) entwickelt? Einem Zweibeiner (ein Gesalbter), der mit einem Bein auf der Erde (Malchuth) und mit dem anderen Bein im Himmel (Kether) steht. 

Weshalb sollte es  für solch einen, sich spirituell noch im Embryonalen befindlichen Menschen,  mit dem Zeichen des Tiers auf der Stirn hilfreich sein, unentwegt für sich selbst Leiden zu schaffen und zu empfangen?

Die Antwort ist, dass auch auf diese Weise, in Form eines Lebens als unfertiger Enosch, in unserer polaren Welt der Punkt im Herzen eines werdenden noch unbewussten Menschen erweitert werden kann. Nur so ist es möglich, diese Person schrittweise mit einem korrigierten Freien Willen für die spirituellen Welten zu versehen. Durch Leiden oder ein bewusstes Studium der Heiligen Schriften (Kabbala) kann sich also die Eintrittskarte für die Leiter in den Himmelsgarten erarbeitet werden. 

Unser schlangenhäutiges momentanes Enosch-Dasein schafft also für alle die Möglichkeit, den Weg zurück zu G-TT zu finden.

Anders betrachtet: Durch den Blickwinkel des Ani-Ichs, des wertenden und teilenden Bewusstseins, sind alle Gestalten und Formen im imaginären Äußeren „in jedem Selbst“ entstanden. Diese Vielheit der Erscheinungen, obgleich sie nur ein Traumbild der wahren Welt darstellen, sind Wegweiser zurück zum wahren Selbst. Diese unsere Welt, mit all ihren scheinbaren Ungereimtheiten, ist somit ein möglicher Weg, der in das tiefste Innere zurück führt und uns zum wirklichen Menschen, einem Adam nach G-ttes Ebenbilde machen wird.  

Bis dahin stammt die überwiegende Anschauung dieser Welt aus dem egoistischen Ani-Ich, mitsamt deren Problemen, geleitet und abhängig von dem todsicheren Glauben an eine unabhängig von einem Selbst existie­rende chronologische Zeit und Raum. Dieser törichte und tödliche Trugschluss ist jedoch nur ein subjektives Zeitgefühl, eine innere Berechnung aus dem einzigexistierenden, immerwährenden JETZT. So wird nur einem Edlen Sucher die Wahrheit zuteil, wie genial die Schöpfung arbeitet und wie Malchuth (die unterste Sefirah) zu Kether (der höchsten Sefirah) werden kann, wie das Königreich der vielfältigen Verlangen und Wünsche zur immerwährenden gebenden Freude wird.
Die Flamme brennt dann wieder in der Flamme.

„ Ich habe Feuer auf die Welt geworfen, und seht, ich hüte es, bis es brennt.“ (5)

Doch kehren wir zurück zur scheinbaren Normalität der normiert im Käfig (unsere Welt) Träumenden, in der nun der eben geschilderte Ablauf etwas besser verstehbar wird. Obwohl doch jeder dieser normalen Menschen, oder die vielen noch  unbewusst im Traum lebenden Personen, wissen, dass alle Erscheinungen in der außen geglaubten dualen Welt ihr Gegenteil hervorrufen oder besitzen, es kein Gutes ohne Böses gibt, kein einziges Wesen Glück ohne die Erfahrung von Leid wahrnehmen kann, ist der sich selbsternannt frei wähnende Mensch nicht in der Lage, sich dem Zwang des Spannungsfeldes der Polarität zu entziehen oder diese wirklich zu durchschauen. Jeder dieser „Denker“ kämpft auf seine Weise für seine eigene gute Welt, für ein erfolgreiches Leben mit Ansehen, Wohlstand, Gesundheit und Gerechtigkeit, und er tut alles um seinen inneren Berechnungen Folge zu leisten, dem Unguten auszuweichen, es zu bekämpfen, die Welt nach seinem Maßstab zu richten, um eine glückliche erfüllte Zeit zu erfahren. 

Die unzähligen selbsternannten Richter über Gut und Böse können normalerweise ihren momentanen begrenzten egoistischen Zustand gar nicht wahrnehmen. Ihre Dogmen, Ängste und Egoismen, ihre scheinbare Normalität verhindern eine Reflexion ihres mangelhaften Selbst. Sie sind es ja von klein auf gewohnt, alles was sie wissen ungeprüft zu reproduzieren um niedere Ziele zu erreichen, und glauben das, was man ihnen gemäß der Zeitströmung vorsetzt. 

Doch das, nur auf den ersten Blick, scheinbar Fatale an diesem Handeln, eingebettet im universellen Gesetz, ist, das diese Form des Verhaltens einem Generator für negative Erscheinungen gleicht. Denn, so wie es bei einer Batterie einen Plus- und Minus-Pol geben muss, damit ein Strom (das Leben) fließt, und es völlig unsinnig wäre, den negativen Pol beseitigen zu wollen, um dann eine Lampe anzuschließen, denn so könnte gar kein Fluss, keine Erscheinung existieren, so ist es aus höherer Sicht genau so unsinnig, die uns negativ erscheinende Emanation der dualen Welt, zu bekämpfen. Denn durch das einseitige Beschneiden eines Pols erschaffen wir ein Ungleichgewicht, verursachen eine Disharmonie, die sich selbst automatisch ausgleicht. Da wir ein zu geringes Bewusstsein für die Gesamtheit der Schöpfung, deren Seelen und Zustände besitzen, führt dies letztendlich dazu, dass der vermeintliche negative Pol gestärkt wird (die Skala der Leiden und Katastrophen wird erhöht – die Seelen werden zur Umkehr gezwungen). 

Anders ausgedrückt, tut der Schöpfer nichts anderes als unserem eigenen Glauben folge zu leisten. Wir glauben und beklagen im Enosch-Zustand eine grausame Welt und was tut ER. ER spiegelt uns eine solche Welt im Außen vor. Das ist Seine Form von Höherer Gerechtigkeit.

„Erkenne, was vor deinem Gesichte ist, und was dir verborgen ist, wird sich dir entbergen; denn nichts Verborgenes, das nicht manifest gemacht würde.“ (6)

ER tut damit nichts anderes als den Wünschen der Gepeinigten zu genügen. Sie glauben an eine verbesserungswürdige, schlechte Welt um sich herum, genau dies bekommen sie dann auch zu sehen. An Ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. 

Vollkommen... 

was immer ER tut 
ER tut es RECHT

was immer ER nicht tut...
ER tut es RECHT

was immer IST
IST ER

Höre was ER sagt
Sehe was ER tut
Spüre was ER schafft

denn DU bist Die Brücke zwischen 
dem was IST
und IHM

Es wäre aus vollendeter Sicht viel geeigneter, sich selbst Malchuth in Harmonie emanieren zu lassen, das bedeutet für uns, alle Erscheinungen anzunehmen und diese als Wegweiser auf dem mittleren Pfeiler nach Oben zu erkennen, denn für nichts anderes, hat sie der Schöpfer erschaffen. 

Dies ist jedoch nicht einfach zu erlernen und zu verstehen, insbesondere von denjenigen, die sich ganz auf ihren logisch-kausalen Verstand verlassen. Denn dieser lässt solch ein G-ttliches Geschehen nicht zu, eine solche Haltung ist scheinbar mit keiner bestehenden moralischen Vorstellung zu vereinbaren. Der selbsternannte Mensch müsste sich zu stark verrücken, um einsichtig zu werden und damit Erfahrungen zu sammeln. 

So können die vielen Leider eben nicht anders als erst einmal alles Negative zu verurteilen, sie müssen es tun, denn nur so bekommt ihr Leid während des  Aufenthaltes im Rade des Seins Seinen Sinn, nämlich den Wesen langsam zum Austritt aus dieser Matrix (unsere Welt, der Ort der dem Licht am fernsten ist) durch eine Erhöhung der Leidensdosis zu bewegen. Und dies geschieht durch den übernatürlichen Reigen (die Vielheit der Traumerscheinungen in unserer Welt), der aus den Himmlischen Geigen ständig auf uns herabströmt. Deshalb, einsame Seele, höre diese Klänge und werde Stufe um Stufe zum weisen, freien Geigenspieler.

Wunderbare Worte .... 

WUND schlägt Er uns manchmal 

so dass wir auf eine BAhRE kommen 

an bestimmte ORTE 

WUND -ER- BARE-ORTE 

denn alle ORTE

stammen und führen zu IHM 

Über diesen Schritt hin zu solch einem wunderbaren Geigenspieler, oder um es in einer anderen Metapher auszudrücken,  zum Filmvorführer, der seinen Lebensfilm von Alef bis Tav sehen kann und durchdringt, muss immer gesagt werden, dass es hierbei nicht um eine Aufgabe des alten Enosch-Weltbildes geht, sondern um das Aufhellen, das Aufsetzen einer Lichten Wirklichkeit, eines Fensters (Windows), aus dem der Adam, aus Kenntnis der einzigen Möglichkeit der Erhebung aus Malchuth heraus, die Dunkelheit des Enosch bestimmt. 

Dies ist mit einem Computer vergleichbar, der in der Programmiersprache DOS läuft und keinen Befehl der WINDOWS Sprache versteht oder kennt (Enosch-Zustand). Während ein Windows Rechner auf DOS aufbaut, bzw. alle Möglichkeiten von DOS umfasst und erweitert. Um in dieser Analogie zu bleiben, sind wir unfertige, wertende Menschen quasi wie eine bekannte Computer-Spielfigur, das gelbe Pacman-Männchen. 

In einem der ersten Computerspiele (DOS) ist es die Aufgabe dieser zweidimensionalen Spielfigur, die negativen bösen Gegner in einem sehr begrenzen Labyrinth aufzufressen, um selbst länger am Leben zu bleiben. Der Pacman unter DOS kann nur schwerlich erkennen, wie mangelhaft und ärmlich seine Logik für einen unter Windows programmierten „Spieler“ ist. Der Windows-Spieler jedoch, entlarvt das Pacman-Männchen aus seinem Höheren Programm heraus, als zweidimensionale Marionette (Enosch-Zustand der meisten vernünftigen Personen), die jedoch gnädiger Weise, durch Leiden (die vielen leidvollen Probleme unter DOS führten dazu, dass Windows entwickelt werden musste) so wie alle Seelen, das Fenster einmal finden wird. 

Diese Metapher birgt noch eine weitere Wahrheit. Windows wurde sozusagen aus DOS heraus entwickelt und nicht umgekehrt. Dies entspricht der Tatsache, dass wir uns nur aus der begrenzten Packman-Männchen-Lebenssicht heraus, zu einer dreidimensionalen Windows-Figur entwickeln können. 

Erst solche Windows-Wesen, die diese Öffnung zum höheren Bewusstsein, das Nadelöhr, die Leiter oder die höhere Seinsform im Geiste erreicht haben, stehen aufrecht auf zwei Beinen. Erst in diesem Zustand, auf diesem Niveau können sie damit beginnen, frei zu wählen, weitere Sprossen als bewusster Mensch zu erklimmen. 

Zu diesem Gedanken fragt ein Schüler: „Wenn der Messias kommt, haben die Menschen dann eine freie Wahl?“ die von einem Rabbi wie folgt beantwortet wurde:

Ja. Die Menschen werden die Fähigkeit haben, zwischen Gutem und Besserem, anstatt zwischen Gutem und Schlechtem zu wählen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Feststellungen ist, dass wir im ersten Fall eine Wahl uns zu Verbessern haben oder dasselbe bleiben, oder um spezifische Talente, die wir besitzen, zu fördern, oder sie zu belassen wie sie sind. Im zweiten Fall besteht die Wahl darin, sich zu verbessern oder zu verschlechtern, oder sein Talent für gute oder schlechte Dinge zu nutzen.  

Weshalb wird gesagt, dass wir dann alle gut sein werden und nur die Torah studieren wollen? Das ist keine freie Wahl!  

Dies ist eine gute Frage. Es wird keine Versuchung zum Bösen mehr geben, da wir keine Neigung zum Übel mehr in uns haben; jedoch werden wir die Fähigkeit besitzen, um uns zu den Begrenzungen zu bewegen oder nicht. In der Messianischen Ära wird "Wahl" bedeuten, wie hoch wir ansteigen möchten und wie viel wir vollenden wollen. Es ist nicht so, dass wir dann  permanent Gutes tun werden — wir wollen ja niemals Schlechtes tun. Jedoch wie viel Gutes wir tun werden, wird unsere Wahl sein.  

Nur sie, die schon Erwachten, in der Messianischen Ära Lebenden, haben, um auf das Thema dieses Aufsatzes zurückzukommen, einen vollen von G-tt gegebenen Freien Willen, zu entscheiden. Denn sind sie erstmals an der ersten Sprosse der nach Oben führenden Leiter angelangt, durch Leiden oder ein Studium der Heiligen Schriften (Kabbala), hat sich ihr Egoismus schon um ein Vielfaches minimiert. Sie können ab nun selbst erwägen, wie schnell sie sich G-tt annähern möchten, ganz ohne Leid und Sorgen. 

Und  schon von den ersten Stufen an, blicken sie erhaben auf alle anderen Verlangen herab, sehen das scheinbar freie Leben des untersten Niveaus, den materiellen Traum der Masse, der nicht vollständig selbstständig denkenden Personen, zu denen sie auch gehörten und noch teilweise gehören, bevor sie die Heilige Leiter erklommen, oder wie so mancher Gerechte, aus den Höheren Regionen der Tzadikim herunterstiegen, um weiteren Seelen nach Oben zu verhelfen.

Das unbewusste Leben derjenigen Personen, welche die Leiter noch gar nicht erblickt haben, die sich trotz ihrer Nacktheit eine Maske zugelegt haben, die sie mit permanentem Richten der Schöpfung verteidigen, nehmen die schon erleuchteten Geburtshelfer wie einen Film war, dessen Anfang und Ende schon bekannt ist. Dieser Film, der von der ersten bis zur letzten Sekunde abgedreht ist, enthüllt die Personen (persona = Maske) mit dem Zeichen des Tiers auf der Stirn, die sich illusorisch im Besitz eines Freien Willens wähnen, als Blinde unter Blinden, als Gefangene einer Raum-Zeit-Matrix, die sie nicht einmal wahrnehmen können.

Ihr so-Sein ist vollständig durch die Schlange bestimmt, SEINE einzigartige Schlange (die Klipoth, die Hüllen), die ER jedem Wesen sendet und vor die Einheit stellt, um die noch schlafenden Träumer, die mehr tot als lebendig sind, über die abgeworfenen Häute der Schlange, zur ersten Sprosse der Ewigen Lebensleiter zu führen. 

Dort reichen UNS dann S-Eine edlen Helfer erlösend ihre Hände.

Als Jakob vor Esau flieht, kommt er an einen Ort, legt sich dort schlafen und träumt. Er sieht den Himmel offen und eine »Leiter« -wie das Wort übersetzt wird -, die bis in den Himmel reicht. Auf ihr steigen Engel hinauf und herab. Die alten Mitteilungen sagen, dass es vier Engel sind, und zwar die vier großen Engel, die Erzengel Michael, Gabriel, Uriel und Raphael. Zwei steigen herunter, zwei steigen hinauf. Also eine entgegengesetzte Bewegung. Zwei sind das Geworfenwerden in die Welt, zwei sind die Antwort: Wort und Antwort.
Jakob sieht den Himmel: Es kommt her, und es geht zurück. Beim Hinaufsteigen, könnte man sagen, ist dir wohl; das Hinuntersteigen - ja, ist vielleicht wie ein »Ach, schade!«, ist vielleicht auch schön. Jedenfalls sieht Jakob das Paradox. Er sieht auch Gott oben, und Gott spricht mit ihm. Er schaut Gott an, und Gott sagt zu ihm: »Ich sehe dich, und du siehst mich, wir sehen einander.« Mit anderen Worten: Die Einheit wird gesehen, wenn beide Bewegungen da sind. (7)

 

 

 

Quellenangaben:

(0) (3) (5) (6) Thomas Evangelium
http://wwwuser.gwdg.de/~rzellwe/nhs/node86

(1) (7) Zitat aus: Kabbala im Traumleben des Menschen (Diederichs Verlag) von Friedrich Weinreb

(2) (4) Ausschnitt aus dem Text: „Freier Wille“ von Rabbi Laitman http://kabbalah.info

 

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