P E T E R   S T A A D E N   

   Spagyrik-Malerei

 

   

 

" Vorab sei gesagt, Spagyrik-Malerei, kann jede Person ausführen,
allerdings nicht rein willentlich oder rein technisch,
sondern SPAGYRIK entfaltet sich bewusst beobachtet,
in dem Moment,
wenn das Bild sich aus aynem Selbst,

im Jetzt herausmalen soll und wird."

 


Die Alchemie der Leinwand: Eine Betrachtung der Spagyrik-Malerei


Die Spagyrik-Malerei, eine im Jahre 1988 von Peter Staaden ins Leben gerufene Kunstform, lädt uns ein in eine Welt, in der die Grenzen zwischen Schöpfer und Geschaffenem verschwimmen. Sie ist nicht bloß eine Technik, die willentlich erlernt oder rein technisch ausgeführt werden kann. Vielmehr entfaltet sich die Spagyrik im bewussten Augenblick, wenn das Bild aus dem tiefsten Inneren des Seins, aus dem Jetzt heraus, seinen Weg auf die Leinwand findet. Es ist ein Akt des Geschehenlassens, ein Tanz zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten.

I. Die Geburt des Bildes: Ein Spiel der Kräfte
In diesem einzigartigen Schaffen begegnen sich vielfältige Ebenen, die sich in einer faszinierenden Symbiose durchdringen und ergänzen. Die körperliche und geistige Konstitution des Malenden im Augenblick des Beginns, dieses heiligen Moments, prägt das Thema und die Essenz des entstehenden Werkes.
Dabei spielen der scheinbare Zufall und die Tugend der Geduld eine entscheidende Rolle. Das Unbewusste, die universelle Lebensenergie, das Göttliche – wie immer man diese alles entscheidende Kraft nennen mag – wird zum übermächtigen Ideengeber, zum Schöpfer von Farbklängen und Formen. Es ist eine Hingabe an eine höhere Macht, die sich durch den Pinsel manifestiert.
Doch nicht nur die metaphysischen Kräfte wirken ein. Auch die profanen Gesetze der Natur – die Trocknungszeiten der Farben und die sanfte, aber unerbittliche Schwerkraft – sind wichtige Akteure im Prozess der Bildfindung. Sie formen und verändern, lassen Farben ineinanderfließen und neue Strukturen entstehen.

II. Metamorphose auf der Leinwand: Schichten, Labyrinthe und Transparenz
Mit der Zeit kristallisieren sich aus den anfänglich flüchtigen Farbkompositionen faszinierende Labyrinthe heraus. Es entstehen Schichtungen von Farben und Materialien, die von unzähligen Metamorphosen zeugen. Die Leinwand wird zum Zeugen eines stetigen Wandels, eines Werdens und Vergehens.
In der Spagyrik-Malerei wird vollkommen frei gearbeitet. Hier gibt es keine Regeln, keine Dogmen, die den Fluss der Kreativität hemmen könnten. Unterschiedlichste Farben und Untergründe werden ohne jegliche Einschränkung miteinander verbunden. Acryl, Aquarell, Gouache, Tempera und Ölfarbe, sie alle dürfen nebeneinander und übereinander existieren, um dann teilweise wieder entfernt zu werden.
Doch die Freiheit reicht weiter. Auch andere Materialien, wie Kies, Papier, Glas oder Sand, werden in das Werk eingebunden, um ihm Textur und Tiefe zu verleihen. Und so wie sie hinzugefügt werden, können sie auch wieder herausgelöst werden. Es gibt keine Grenzen für die Materialien, die über die Farbe hinaus verwendet werden dürfen.
Das Wasser, dieses Urelement des Lebens, spielt eine zentrale Rolle. Zusammen mit dem bewussten Wegnehmen von Farbe und Materie wird es zum Schlüssel, um die Materie transparent zu machen. Es ist ein Reinigen, ein Sichtbarmachen und Durchleuchten des vorher Unbekannten und nicht Offensichtlichen.
Dieses Unbekannte bedeutet, dass im Maler selbst keine vorgefasste Idee oder Vorstellung von dem Bild vorhanden sein muss oder sollte. Es ist die Kunst des Loslassens, des Vertrauens in das, was sich aus dem Nichts entfalten will. Das Hinzufügen und Entfernen von Farbe und Materialien findet in einer ausgewogenen Harmonie statt, wie ein Atemzug, ein Ein- und Ausatmen des Schaffens.

III. Werkzeuge der Transformation: Schwamm, Wasser und Feuer
Für die Anfertigung eines Bildes in Spagyrik-Malerei sind ein Schwamm und reichlich Wasser die wichtigsten Utensilien. Sie sind die Hände, die das Werk formen, es reinigen und transformieren. Doch auch das Feuer, mit seiner reinigenden und verändernden Kraft, ist erlaubt, um Farbschichten wegzunehmen und neue Strukturen zu schaffen.
Die Malerei wird so zu einem Reinigungsprozess, einem Sichtbarmachen und Durchleuchten des vorher Verborgenen. Es ist ein Trennen und Wiederzusammenfügen, ein vielstufiger Prozess des Wegnehmens und Auftragens, des Scheidens und Bindens. Die Spagyrik-Malerei geht symbolisch den Ursachen eines jeglichen Beweggrundes nach, sie ist eine alchemistische Reise ins Innere.


IV. Eine Schule der Erkenntnis: Das Ich im Angesicht des Göttlichen
Doch die Spagyrik-Malerei ist mehr als nur eine Kunstform; sie ist eine Schule der Selbsterkenntnis. Eine Schule, die lehrt, dass es keinen freien Willen im herkömmlichen Sinne gibt, dass alle Entscheidungen von "oben" gegeben sind. Der Weg, die Ausführung der Malerei selbst, die Arbeit an der Leinwand, ist ebenso wichtig wie das sogenannte fertige Bild. Denn in der Spagyrik-Malerei gilt ein Werk nie als komplett fertig; es kann immer weiter bearbeitet werden, sich immer weiter entwickeln.


Das Bewusstsein und dessen Erweiterung während dieses Prozesses ist das eigentliche Ziel. So ist diese Art der Malerei eine nicht endende Analyse und Filtrierung, letztendlich die Suche und der Aufbau einer Synthese der unterschiedlichsten und gegensätzlichsten Faktoren.
Der Ausführende der Spagyrik-Malerei beachtet vor, nach und während des Malens das wichtigste Gebot für alle "dienenden Künstler Gottes":
"Du sollst Dir kein Bild von Gott machen,
und auch nicht von Dir selbst,
denn da Draussen ist NICHTS,
alles west nur in (D)aynem Bewusstsein."


Der gesamte Vorgang des Schaffens sollte in dem beobachtenden Bewusstsein ausgeführt werden, dass man selbst nur ein ausführender Pinsel der Idee Gottes oder des Unbewussten ist. Begleitet von dem apodiktischen Wissen, dass tatsächlich weder Farbe noch Leinwand, ja keine externe materielle Welt existiert. Alles ist eine Manifestation des Bewusstseins, ein Spiegel der inneren Welt.


Die Spagyrik-Malerei, definiert und festgelegt am 22. Oktober 1988 von Peter Staaden, ist somit nicht nur eine künstlerische Technik, sondern ein tief spiritueller Weg, eine Einladung zur Transzendenz und zur Entdeckung der eigenen, unendlichen inneren Landschaft, vor allem der Schatten, die so gerne verdrängt, projeziert und mit der Persona verdeckt bleiben.

 

 

 


Peter Staaden